Zu bestimmten Zeiten braucht man eine gewisse Ordnung, einen roten Faden oder einen Überblick über die eigenen Werke. Was war noch mal der Ausgangspunkt? Warum beschäftigt man sich all die Jahre mit Form, Licht/Dunkelheit und vor allem Stein? Die Verwunderung? Entsteht das Werk aus einem Staunen über die Schönheit der Dinge, oder eben aus der Ohnmacht, der Unvollkommenheit und der Gebrochenheit, die dem Leben inhärent sind?
Eine Antwort auf diesen Fragen ist, denke ich, dass der Künstler nichts zu behaupten braucht, sondern nur zeigt – und dass ist seine Stärke. Er zeigt eine Wirklichkeit, die nicht existiert, aber trotzdem gültig ist und somit eine andere Wahrheit besitzt. Die Bildhauerei ist meine Art, diese Wirklichkeit zu bewältigen. Waren meine ersten Skulpturen anekdotisch, wie die Serie De Grote Reis („Die Große Reise“), mit Boten und Ruinen, kündigte sich später eine Faszination für Energie und Lebendigkeit an, die man in Saat und Blumen erblickt.
Ein Spruch Fritz Wotrubas, „Jede Form hat eine innerliche Kraft“, wurde meine Richtschnur. Die Blütenformen gingen über in Kronen, Stapel und Familien. Immer mehr kam die Übergabe an Form und Material. Es entstehen Kombinationen von Stein und Stahl, Stein und Holz und Stein und Glas. Die Natur lässt mich staunen durch die Art, wie Bäume und Blumen wachsen. Viele Pflanzen wachsen in Spiralen; Sonnenblumen z.B. drehen sich in 24 Stunden um ihren eigenen Achsen, ihre Köpfe auf die Sonne gerichtet. Die Spirale als Metapher für Wachstum.
Wie gestaltet sich ein Werk?, werde ich oft gefragt. Zunächst gibt es nur eine vage Idee, auf Basis eines Gedichts (eine Landschaft nach Rilke, z.B.), eines Fotos oder eines Musikstücks. Dann fange ich an, Information zu sammeln, zu zeichnen, Modelle zu bilden aus Ton, Gips und Wachs, bis ich eine gewisse Sättigung erreiche. Damit fängt eine Art „Twilight-zone“ an. Ich bade in Ungewissheit, will nichts Neues mehr sehen oder hören, bis eine Einsicht oder Inspiration über mich kommt. Dies ist vielleicht die mystische Seite des Künstlertums und damit schwierig zu deuten. Es ist größtenteils ein intuitiver Prozess. Gedanken brauchen eine Weile zum Ausreifen, Pläne werden revidiert und optimiert. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werde ich ungeduldig (ich muss, so gesagt, ‚das Ei legen‘), so dass das Projekt wohl zustande kommen muss. Es soll verwirklicht werden.
Eins kann nicht ohne das Andere entstehen. Ob es sich nun um eine kleine Skizze handelt, ein Gemälde, eine Zeichnung oder eine Skulptur, jedes ist von gleichem Wert. Deshalb möchte ich auf dieser Seite der prozessualen Dimension meines Schaffens Raum bieten, und somit keine streng chronologische Darstellungsfolge verwenden. Der Akzent liegt auf den verschiedenen Themen und wie sie ineinander greifen.
Cissy van der Wel